Die Kirche zu Küstrin-Kietz

Der Ortsteil der alten Festungsstadt war ursprünglich zur Stadtpfarrkirche in der Küstriner Altstadt eingekircht. Diese Kirche wurde 1945 zerstört, ihre Ruine in den 1960er Jahren gänzlich abgetragen.

Im Jahre 1908 erbaute die Kirchengemeinde im Küstriner Ortsteil Kietz ein großzügiges Pfarrhaus, in dem zuletzt der den „Deutschen Christen“ angehörende Superintendent Nagel wohnte. Die Kirchengemeinde selbst war hingegen der „Bekennenden Kirche“ zugetan. Pfarrer Rosenberg, der die Küstrin-Kietzer Gemeinde betreute, gehörte ebenfalls der „Bekennenden Kirche“ an. Das Pfarrhaus in Küstrin-Kietz wurde 1945 völlig zerstört. Trotzdem lebte die Kirchengemeinde weiter und feierte ihre Gottesdienste in den Nachkriegsjahren zunächst in einem Bauwagen der Goßner-Mission. Angestellt waren zwei Katecheten, die die Kinder zur Christenlehre sammelten und auch die Gemeinde zusammenhielten. 1950 wurde Hans Neumann Pfarrer in Küstrin-Kietz und begann sogleich mit dem Aufbau des zerstörten Pfarrhauses, um es als neues Gemeindezentrum herzurichten.

Das Pfarrhaus mit Betsaal und Wohnung im
Obergeschoß

Vor dem Krieg hatten die Küstrin-Kietzer den Betsaal der Herrnhuter Brüdergemeine in Kietz für Gottesdienste gemietet. Zu einem eigenen Kirchenbau, der wohl schon vor 1914 geplant war, ist es nicht mehr gekommen. Auch der Herrnhuter Betsaal war in den letzten Kriegsmonaten zerstört worden. Aus den Trümmern wurde Baumaterial gewonnen, um damit das Gemeindezentrum Aufzubauen. Am 7. Januar 1951 konnte die Kirchengemeinde den neuen Kirchsaal im Pfarrhaus in Nutzung nehmen. In diesem Kirchsaal befindet sich die Kirchengemeinde bis zum heutigen Tag zu ihren Veranstaltungen zusammen. Ein Jahr nach der Kirchsaaleinweihung wurde dann das Pfarrhaus zum Gemeindehaus und gleichzeitig zum neuen Mittelpunkt des Gemeindelebens.

Von besonderer Bedeutung war der Bau des massiven Glockenturms im ausgedehnten Pfarrgarten, der von Vertretern der Staatsmacht misstrauisch verfolgt wurde. So musste das Baumaterial heimlich auf das Pfarrgrundstück gebracht werden. Zu Pfingsten 1953 konnte die Gemeinde erstmals den Gottesdienst mit Glockengeläut feiern. In dem Glockenturm sind zwei Glocken übereinander aufgehängt. Oben hängt die kleine mittelalterliche Bronzeglocke (Ø 57 cm) mit der Inschrift: „Gloryam cum pace referes“ (Du bringst den Ruhm mit Frieden zurück.) Ihre Herkunft ist unbekannt. Die Glocke darunter besteht aus Eisenhartguss und wurde 1953 in der Fa. Schilling & Lattermann, Apolda, gegossen.

Glockenturm in Küstrin-Kietz

Im Jahre 2004 stellte sich heraus, dass die Bronzeglocke schadhaft war und nicht mehr geläutet werden durfte. Etwa gleichzeitig wurde folgendes bekannt: In der Stadtpfarrkirche Küstrin hingen einst vier Glocken, die 1769 von Friedrich Gotthold Körner, Freystadt, gegossen wurden. Die beiden mittleren fanden sich nach 1945 auf dem sogenannten Glockenfriedhof in Hamburg wieder an. Sie waren dort 1942 als Rüstungsreserve hingebracht worden und zum Einschmelzen vorgesehen. Dazu ist es aber zum Glück nicht mehr gekommen. Weil sie dort gebraucht wurden und weil Küstrin nunmehr zu Polen gehörte, brachte man sie 1948 in die Maria-Magdalenen-Kirche nach Eberswalde. Dort läuteten sie neben drei weiteren Glocken 60 Jahre hindurch.

Als das in Küstrin-Kietz bekannt wurde, setzten im Verein für die Geschichte Küstrins und auch in der Kirchengemeinde Bemühungen ein, diese beiden Glocken nach Hause zu holen. Aus Sorge um einen langjährigen Rechtsstreit verzichtete die Gemeinde jedoch 2006 auf die Rückführung und strebte nun stattdessen die Reparatur der schadhaften Glocke an.

Die beiden Küstriner Glocken künden nun weiterhin im Turm der Maria-Magdalenen-Kirche in Eberswalde von der Küstriner Stadtgeschichte. Auf der Größeren steht die Inschrift „Nach sehr traurigem Schicksal wurde mir am 15.August 1758 befohlen, zu verstummen. Ich wurde im Jahre 1769 restauriert, um Zeichen zu geben am Tag für die Ehre.“ Auf der Kleineren steht zu lesen: „Am 15. August 1758 in Ruinen begraben, wurde ich aus denselben Ruinen 1769 wieder hergestellt. Nach erneuten Schicksalsschlägen, als der Lehm durch den Wind erneut zusammengestürzt war und mein Baumeister unter den Trümmern der Kirche fast das Leben verloren hätte, rufe ich die Bürger zusammen!“ Diese Inschriften beziehen sich auf die Beschießung der Festung Küstrin durch russische Artillerie am 15. August 1758 vor der Schlacht von Zorndorf, bei der große Teile der Altstadt abbrannten.

Im Jahre 2007 wurde die alte Bronzeglocke, die zweimal gerissen war, im schwäbischen Nördlingen repariert. Dank großer und kleiner Spenden gelang es, die 7.000 Euro für die Restaurierung aufzubringen. Am 1. Advent 2007 wurde sie durch Pfarrerin Anja Grätz feierlich in Dienst genommen und klingt seiher mit der Größeren Stahlglocke wieder im Zweiergeläut. Alle Kirchen in der Umgebung hatten ihre Rückkehr mit ihrem Geläut begleitet.

Der Kirchsaal ist einfach ausgestattet. Über dem hölzernen Altartisch hängt ein Kreuz, das mit einer grünen Rundung hinterlegt ist. Rechts vom Altartisch steht das Lesepult, links die Taufe. Alle Ausstattungsgegenstände stammen aus den 1950er Jahren.

Quelle: mit freundlicher Genehmigung: Reinhard Schmook, „Kirchen und Gemeindehäuser im Evangelischen Kirchenkreis Oderbruch“ 2012